Studienergebnisse - Veröffentlichungen

Unterscheidung präbariatrischer Subtypen anhand von Temperament, Emotionsdysregulation und enthemmten Essverhalten

Zusammenfassung: 370 Teilnehmer der PRAC-Studie wurden vor ihrem adipositaschirurgischen Eingriff mittels Fragebögen zu ihrer Impulsivität, Selbstkontrolle, Emotionsregulation und zu ihrem Essverhalten befragt. Basierend auf diesen Angaben konnten fünf präbariatrische Subtypen unterschieden werden, die sich in Bezug auf Fähigkeiten zur Selbst- und Emotionskontrolle unterschieden. ‚Stark unterkontrollierte' Patienten mit schweren Defiziten in Selbststeuerung und Emotionsregulation berichteten ausgeprägtes enthemmtes Essverhalten und waren durch eine erhöhte allgemeine und essstörungsspezifische Psychopathologie (44,1 % Depressionsdiagnosen, 17,2 % Binge-Eating-Störungs-Diagnosen)charakterisiert. Prä- und postoperative Interventionen sollten daher individuell an die kognitiven und emotionalen Profile der fünf Subtypen angepasst werden, um maximale Erfolge der Adipositaschirurgie zu gewährleisten.

Hintergrund: Trotz belegter Erfolge der Adipositaschirurgie zeigen 20-30 % der Patienten nach Operation langfristig einen unzureichenden Gewichtsverlust, der mit Impulsivität, Emotionsdysregulation und enthemmtem Essverhalten (z. B. emotionales Essen, Essen ohne Hunger) in Zusammenhang gebracht wurde. Die Unterscheidung von präbariatrischen Subtypen anhand dieser Faktoren ermöglicht die Identifikation von Patienten mit ungünstiger Behandlungsprognose und erhöhtem Bedarf an zusätzlichen Interventionen. Basierend auf Temperamentsmerkmalen wurden bisher zwei Subtypen unterschieden: eine resiliente/hochfunktionale Gruppe mit ausgeprägten Selbstkontrollfunktionen und eine emotional dysregulierte/unterkontrollierte Gruppe mit geringer Impuls- und Selbstkontrolle. In der jetzigen Arbeit wurden erstmalig Emotionsdysregulation und enthemmtes Essverhalten bei der Subtypisierung berücksichtigt, da diese mit postoperativ unangepassten Essverhalten in Zusammenhang gebracht wurden.

Methode: Bei N = 370 präbariatrischen Patienten aus dem Psychosozialen Register der Adipositaschirurgie (PRAC) wurden Temperament, Emotionsregulation, enthemmtes Essverhalten sowie Psychopathologie anhand klinischer Interviews und Selbstbeurteilungsfragebögen erfasst. Mittels latenter Profilanalyse wurden Subtypen identifiziert.

Ergebnisse: Fünf präbariatrische Subtypen wurden identifiziert, die sich in Bezug auf Fähigkeiten zur Selbstkontrolle, Emotionsregulation und enthemmtes Essverhalten unterschieden. Die Subtypen waren mit unterschiedlichen Ausprägungen pathologischen Essverhaltens und allgemeiner Psychopathologie assoziiert.

Schlussfolgerungen: Die zusätzliche Berücksichtigung von Emotionsregulation und enthemmtem Essverhalten ermöglichte die Beschreibung weiterer präbariatrischer Subtypen mit spezifischem Störungsmuster, deren postoperativer Gewichtsverlauf durch gezielte Intervention verbessert werden könnte.