Studienergebnisse - Veröffentlichungen

Nicht-normatives Essverhalten und Psychopathologie bei präbariatrischen Patienten mit Binge-Eating-Störung und Night Eating-Syndrom

Zusammenfassung: 233 Teilnehmer der PRAC-Studie wurden vor ihrem adipositaschirurgischem Eingriff mittels Fragebogen und einem telefonisch durchgeführten Interview zu ihren Essgewohnheiten und ihrer Einstellung zu Figur und Gewicht befragt. 4,3 % der befragten Patienten gaben an, regelmäßig unter Situationen zu leiden, in denen sie übermäßig große Nahungsmengen innerhalb kurzer Zeit aßen und dabei das Gefühl hatten, die Kontrolle über das Essen zu verlieren (regelmäßige Essanfälle mit Kontrollverlust -> Diagnose: Binge-Eating-Störung). 8,6 % der Teilnehmer berichteten exzessives spätabendliches und/oder nächtliches Essen (Diagnose: Night-Eating-Syndrom). Patienten mit Binge-Eating und/oder Night-Eating aßen, im Vergleich zu Patienten ohne Auffälligkeiten im Essverhalten, häufiger aufgrund negativer Gefühle, in Abwesenheit von Hunger und wiesen Merkmale einer Nahrungsmittelabhängigkeit auf. Patienten mit einer Binge-Eating-Störung machten sich, im Vergleich zu Patienten mit einem Night-Eating-Syndrom, häufiger Sorgen über ihr Essverhalten und ihr Gewicht und wiesen mehr Auffälligkeiten im Essverhalten, insbesondere eine höhere Anzahl von Essanfällen mit Kontrollverlust auf.

Hintergrund: Die Binge-Eating-Störung (BES) als eigenständige Essstörungsdiagnose und das Night Eating-Syndrom (NES) als Forschungsdiagnose wurden kürzlich in die 5. Auflage des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-5) aufgenommen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, bei Patienten vor einem adipositaschirurgischen Eingriff die Prävalenz der BES und des NES sowie deren Assoziationen mit weiteren nicht-normativen Essverhaltensweisen und der Essstörungspsychopathologie zu untersuchen.

Methode: Eine umfassende Erhebung des Essverhaltens erfolgte im Rahmen eines nationalen, multizentrischen Registers zur längsschnittlichen Erfassung psychosozialer Faktoren in der Adipositaschirurgie (Psychosoziales Register der Adipositaschirurgie – PRAC). Die Patienten wurden deutschlandweit an 6 bariatrischen Operationszentren rekrutiert. Bei N = 233 Patienten wurden vor einem adipositaschirurgischen Eingriff mittels eines klinischen Interviews (Eating Disorder Examination) und Selbstbeurteilungsfragebögen das nicht-normative Essverhalten sowie die Essstörungspsychopathologie erfasst.

Ergebnisse: Die Diagnose des Vollbildes der BES und des NES wurde bei 4,3% und 8,2% der präbariatrischen Patienten gestellt. Darüber hinaus erfüllten 8,6% der untersuchten Patienten die Kriterien für eine subsyndromale BES und 6,9% für ein subsyndromales NES. 3,9 % der Patienten erhielten die Doppeldiagnose BES und NES. Im Vergleich zu Patienten ohne Essstörungssymptome wiesen Patienten mit BES und NES erhöhte Werte im emotionalen Essen, im Essen in Abwesenheit von Hunger sowie in Symptomen einer Nahrungsmittelabhängigkeit auf. Differentielle Effekte wurden auch zwischen Patienten mit BES und NES gefunden: Patienten mit BES berichteten mehr objektive Essanfälle. Darüber hinaus zeigten sie höhere Ausprägungen essens- und gewichtsbezogener Sorgen, sowie der globalen Essstörungspsychopathologie im Vergleich zu Patienten mit NES.

Schlussfolgerungen: Ein substantieller Anteil der präbariatrischen Patienten wies eine BES oder ein NES auf, wobei einige Patienten die Kriterien für eine Doppeldiagnose erfüllten. Zusammenhänge mit nicht-normativen Essverhaltensweisen und der Essstörungspsychopathologie verdeutlichten die klinische Signifikanz und diskriminative Validität von BES und NES.